Abschied nehmen

Wie jeden Sonntag ging ich durch die Weinberge spazieren. Doch ich war nicht allein. Ungesehen, aber deutlich spürbar begleitete mich die Traurigkeit. Sie war einfach da, ohne dass ich zunächst wusste, warum.

So ging ich ganz langsam und versuchte, nicht zu viel zu denken, sondern einfach zu spüren.

Irgendwann war der Gedanke einfach da in meinem Kopf:  „Ich bin traurig, weil ich das alles bald hinter mir lassen muss.”

Ich schaute mich um: die strahlende Sonne, die schon langsam dunkler werdenden Weintrauben, die Krähen in der Luft. Ich spürte die Wärme auf meiner Haut, roch den Geruch des Sommers. Und die Traurigkeit war da, weinte innerlich um all das, was ich verlieren werde.

Ich wartete, denn in der Regel versteckt sich hinter meinen Gefühlen eine neue und wertvolle Erkenntnis, wenn ich die Gefühle nicht wegdrücke, sondern so annehme, wie sie sind.

Und dann kam sie auch. Meine Stimme der inneren Weisheit. Sie sagte mir “Liebe das, was du jetzt siehst, fühlst, hörst, riechst und schmeckst. Auch wenn es dich traurig macht. Auch wenn du es bald nicht mehr haben wirst. Liebe es jetzt, denn erst, indem du es liebst, wird es wertvoll für dich.”

“Aber was für einen Grund soll es haben, dem Ganzen einen Wert zu geben? Wenn ich es liebe, wird es noch mehr weh tun, wenn ich es zurücklassen muss.” fragte ich mich leise.

“Wenn du es für dich Wert gewinnt, wirst du es behalten“, antwortete die Stimme in mir. “Denn die wirklich kostbaren Dinge begleiten uns. Wir tragen sie immer in unserem Herzen.”

Ich bin den Rest des Wegs ganz bewusst gegangen, habe die Eindrücke dieses Sommertags förmlich in mich aufgesogen und gespürt, wie es um mein Herz nach und nach leichter und etwas in mir heil wurde, bis die Traurigkeit sich ganz unmerklich von mir verabschiedete.