“Ach, Michaela, ich weiß wirklich nicht weiter. Jetzt sage ich mir schon so lange, dass ich Fehler machen darf und trotzdem liebenswert bin, aber irgendwie wirkt das nicht. Hast du dazu eine Idee?”

Ich nicke und antworte “Ich kann nicht hören, was du sagst”

Meine Kundin runzelt die Stirn. “Soll ich lauter sprechen?”

“Nein”, lache ich. “Was ich eben sagte, war der Anfang eines Zitats (mittlerweile habe ich nachgeschaut, es ist von Ralph Waldo Emerson). Komplett lautet das Zitat: Ich kann nicht hören, was du sagst, deine Taten sprechen zu laut.”

Nun ist meine Kundin verdutzt, weiß noch nicht genau, was sie damit anfangen soll. Ich erkläre es ihr.

“Wenn du dir selbst sagst, dass du liebenswert bist, dich aber gleichzeitig so gar nicht liebenswert behandelst, wenn du einen Fehler gemacht hast, dann ist das ähnlich, wie bei einer Mutter, die ihrem Sprössling eine Gardinenpredigt hält, wie schädlich doch rauchen ist, während sie selbst eine Zigarette in der Hand hält und ab und zu einen Zug nimmt. Ihr Kind wird zwar die Worte hören, das Verhalten vermittelt aber eine ganz andere Botschaft, und daher wirkt das, was sie sagt nicht glaubhaft.”

“Ich glaube, ich verstehe ….” Die Stimme meiner Kundin wird leiser, verliert sich in der Vergangenheit. “Ich denke gerade an meinen Vater. Er hat mich immer wieder mal geschlagen, wenn ich aufsässig war oder etwas kaputt gemacht habe. Dabei hat er mir gesagt, dass ihm das mehr weh täte als mir. Ich konnte das einfach nicht glauben. Wenn es ihm tatsächlich noch mehr weh tut, warum hört er dann nicht einfach auf?”

Sie schaut mich offen an. “Kann man ein Kind ganz bewusst schlagen, erniedrigen, demütigen, wenn man es doch liebt?” – Ich gebe keine Antwort. Manchmal ist es besser, zuzuhören und abzuwarten.

Eine ganze Weile ist meine Kundin in Gedanken versunken. Dann gibt sie sich einen Ruck. “Ich glaube, ich verstehe, was du mit deinem Zitat sagen wolltest. Eigentlich handle ich genau wie mein Vater. Ich sage mir, dass es nicht schlimm ist, einen Fehler zu machen ,aber ich bestrafe mich dafür. Kein Wunder dass ich mir den doofen Satz, dass ich trotz Fehler liebenswert bin, nicht glaube.”

Ich lächle. “Nein, das ist kein doofer Satz, sondern ich sehe das auch so. Du bist liebenswert. Und wenn du es schaffst, anders zu handeln und dich nicht gleich wieder fertig zu machen, wenn du was falsch machst, dann kann der Satz auch endlich von deinem Herzen gehört und geglaubt werden.”

Sie lächelt mich an. “Danke! Dann wollen wir mal schauen, dass meine Worte endlich auch einmal Gehör finden und nicht im Rauschen meiner Taten untergehen.”

“Genau so!” Wir grinsen beide.

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